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“Kann der NVV bestehen? Lehren aus der Iran-Krise”

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Von Raza Syed (London), Fereydoun (Teheran)

(London/Teheran)

Einleitung

Während die Welt im Jahr 2025 mit den komplexen Herausforderungen der nuklearen Diplomatie ringt, steht Iran weiterhin im Mittelpunkt der Debatten über die Zukunft von Nichtverbreitungsverträgen. Der Vertrag über die Nichtverbreitung von Kernwaffen (NVV), einst als Triumph des Multilateralismus gefeiert, sieht sich heute existenziellen Herausforderungen gegenüber – verursacht durch systemische Ungleichheiten und geopolitische Doppelmoral. Irans Atomprogramm, lange Zeit von westlichen Staaten kritisch betrachtet, verdeutlicht die Spannungen zwischen Staaten, die friedliche Nukleartechnologie anstreben, und einem Regime, das zugunsten von Atommächten verzerrt ist. Dieser Artikel argumentiert, dass das Überleben des NVV davon abhängt, historische Ungerechtigkeiten anzugehen, Irans Einhaltung internationaler Vorschriften anzuerkennen und ein System zu reformieren, das nicht-angeschlossene Staaten unverhältnismäßig ins Visier nimmt.

Historischer Kontext: Irans Nuklearentwicklung unter dem NVV

Irans Beschäftigung mit Nukleartechnologie begann in den 1950er-Jahren im Rahmen des US-gestützten „Atoms for Peace “-Programms, das zivile Atomenergie im Austausch für Nichtverbreitungsverpflichtungen förderte. Nach der Ratifizierung des NVV im Jahr 1970 unterstellte sich Iran den Sicherheitsmaßnahmen der Internationalen Atomenergieorganisation (IAEO) und berief sich regelmäßig auf sein Recht auf friedliche Nutzung der Atomenergie gemäß Artikel IV. Der geopolitische Wandel nach der Islamischen Revolution 1979 verwandelte Irans Programm jedoch in einen internationalen Brennpunkt.

Die Enthüllung ungemeldeter Anreicherungsanlagen in Natanz und Fordow im Jahr 2002 löste Vorwürfe über geheime Waffenentwicklungen aus. IAEO-Inspektionen konnten jedoch nie stichhaltige Beweise für ein Atomwaffenprogramm finden. Eine entscheidende Einschätzung des US-Geheimdienstes von 2007 kam zu dem Schluss, dass Iran seine Waffenentwicklungen 2003 eingestellt hatte. Trotzdem verschärften westliche Staaten die Sanktionen – ein Zeichen für die Diskrepanz zwischen Irans rechtlichen Ansprüchen und geopolitischem Misstrauen.

Das JCPOA: Ein diplomatischer Erfolg – sabotiert

Der Gemeinsame Umfassende Aktionsplan (JCPOA) von 2015 stellte einen diplomatischen Meilenstein dar. Iran stimmte beispiellosen Einschränkungen zu – etwa der Begrenzung der Urananreicherung auf 3,67 %, einer Reduktion der Vorräte um 98 % und 24/7-Überwachung durch die IAEO – im Austausch für Sanktionserleichterungen. Bis 2018 bestätigte die IAEO Irans Einhaltung 15 Mal. Doch der einseitige Rückzug der USA unter Präsident Trump brachte neue Sanktionen, die Iran über 200 Milliarden Dollar an Öleinnahmen kosteten und die Wirtschaft massiv schädigten.

Irans schrittweise Verstöße nach 2018, darunter die Anreicherung von Uran auf 60 % Reinheit, wurden weithin als Provokationen dargestellt. Iran argumentiert jedoch, dass diese Maßnahmen gemäß Artikel X des NVV (Atomwaffensperrvertrag) rechtlich gerechtfertigt seien, der den Rückzug oder Abweichungen gestattet, wenn die ‚höchsten Interessen‘ eines Staates bedroht sind. Aus iranischer Sicht untergrub der einseitige Rückzug der USA aus dem JCPOA (Atomabkommen) und die Wiedereinführung von Sanktionen genau die Diplomatie, die sie einst befürwortet hatten, was Teheran zu einer Reaktion veranlasste.2025: Stillstand in der Diplomatie, Spannungen nehmen zu.

Im Jahr 2025 ist das Nichtverbreitungsregime blockiert. Die zaghaften Bemühungen der Biden-Regierung, das JCPOA wiederzubeleben, scheiterten 2023 am innenpolitischen Widerstand in den USA und an Irans Forderung nach verbindlichen Garantien. Währenddessen läuft Irans Nuklearprogramm weiter unter IAEO-Aufsicht. Die angereicherte Uranmenge (142 kg mit 60 % Reinheit) liegt deutlich unter der Schwelle von 250 kg, die für eine Waffe nötig wäre.

Heuchelei in der „Großen Vereinbarung “des NVV

Die Grundidee des NVV – dass nicht-nukleare Staaten auf Atomwaffen verzichten und im Gegenzug die Nuklearmächte abrüsten – ist gescheitert. Die USA, Russland, China, Frankreich und das Vereinigte Königreich besitzen zusammen über 12.500 Sprengköpfe und modernisieren weiterhin ihre Arsenale. Iran hingegen wird wegen eines zivilen Programms scharf kritisiert, obwohl dieses mit Artikel IV vereinbar ist. Dr. Seyed Hossein Mousavian, ehemaliger iranischer Atomverhandler, bringt es auf den Punkt:

“Die Doppelmoral des NVV ist unhaltbar. Iran wird für legale Anreicherung bestraft, während Atommächte ihre Abrüstungsverpflichtungen ignorieren. Diese Heuchelei untergräbt das Vertrauen.“

Sanktionen als Waffe und humanitäre Folgen

US- und EU-Sanktionen, angeblich Instrumente der Nichtverbreitung, entwickelten sich zur kollektiven Bestrafung. Bis 2025 liegt Irans Inflation bei fast 50 %, die Arbeitslosigkeit bei 30 %. Medikamentenmangel – verschärft durch Finanzblockaden – führt zu vermeidbaren Todesfällen. Diese Repression radikalisiert die Bevölkerung und schwächt diplomatische Kräfte.

Regionale Realitäten: Eine nuklear bewaffnete Nachbarschaft

Irans Sicherheitskalkül wird geprägt durch die Nähe zu US-Stützpunkten, dem NATO-Mitglied Türkei und dem atomar bewaffneten Pakistan. Israels nicht deklariertes Arsenal – geschätzt auf 90 Sprengköpfe – bleibt vom NVV unangetastet. Saudi-Arabiens Ankündigung 2023, „Atomwaffen anzustreben, falls Iran es tut“, zeigt die Instabilität der Region. Dennoch ignorieren westliche Mächte diese Dynamiken und stellen Iran als singuläre Bedrohung dar.

Expertenmeinungen: Reform eines gescheiterten Systems

Dr. Nader Entessar (University of South Alabama):

Er betont, dass das JCPOA ein seltener diplomatischer Erfolg war, dessen Scheitern eine Reform des Nichtverbreitungsansatzes erfordert. Künftige Verträge müssten bessere Überprüfungsmechanismen und bindende Verpflichtungen enthalten.

Robert S. Litwak (Wilson Centre):

Er hält militärische Optionen für ungeeignet im Umgang mit Proliferation. Stattdessen plädiert er für Eindämmung und Diplomatie zur Vermeidung nuklearer Eskalationen.

Dr. Trita Parsi (Quincy Institute):

„Das Scheitern des JCPOA war nicht Irans Fehler – es war das Versagen der US-Führung. Die Politisierung der Nichtverbreitung hat das Vertrauen in Multilateralismus untergraben. “

Dr. Narges Bajoghli (Johns Hopkins University):

„Sanktionen haben Iran nicht abgeschreckt, sondern Hardliner gestärkt. Die Weigerung des Westens, Irans Einhaltung des JCPOA anzuerkennen, nährt die Ansicht, dass Diplomatie sinnlos ist.“

Irans Forderung nach einem gerechteren Rahmen

Recht auf friedliche Atomenergie:

Auf 60 % angereichertes Uran wird medizinisch für Krebsbehandlungen eingesetzt. Das iranische Programm entspricht Artikel IV des NVV (Atomwaffensperrvertrag), jedoch unterliegt es einzigartigen Beschränkungen, die nicht für Verbündete der USA gelten.

Sicherheitsgarantien:

Nichtverbreitung ist sinnlos unter existenzieller Bedrohung. Ein regionaler Sicherheitspakt, ähnlich den Helsinki-Abkommen von 1975, könnte Sorgen über ausländische Einmischung und israelische Atomwaffen adressieren.

Entpolitisierung der IAEO:

Die Glaubwürdigkeit der IAEO litt unter US-Einfluss. Der ehemalige Generaldirektor Yukiya Amano gab 2020 zu, dass US-Geheimdienste Iran-Bewertungen stark beeinflussten. Neutralität ist entscheidend.

Wege in die Zukunft – 2025

JCPOA mit bindenden Garantien wiederbeleben:

Ein neues Abkommen sollte Iran vor einseitigem Ausstieg schützen – etwa durch Ratifizierung im UN-Sicherheitsrat. Europas INSTEX-Handelssystem könnte US-Sanktionen umgehen.

Errichtung einer atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten:

Seit 1974 vorgeschlagen, würde eine solche Zone Israels Arsenal und die Sorgen arabischer Staaten berücksichtigen. UN-Gespräche 2024 gewannen an Fahrt, doch Widerstand aus den USA und Israel bleibt.

Globale Abrüstung vorantreiben:

Atommächte müssen ihre Arsenale transparent abbauen. Der Vertrag über das Verbot von Atomwaffen (TPNW), von 70 Staaten ratifiziert, ist ein Modell – wird jedoch von den Atommächten boykottiert.

Wirtschaftliche Zwangsmaßnahmen beenden:

Sanktionserleichterungen müssen Vertragskonformität begleiten. Der 2024 von der EU eingerichtete humanitäre Korridor für Medikamente und Lebensmittel schafft einen Präzedenzfall.

Fazit: Auf dem Weg zu einer gerechten Nuklearordnung

Die Zukunft von Nichtverbreitungsverträgen hängt davon ab, die Ideale des NVV mit den Realitäten des 21. Jahrhunderts in Einklang zu bringen. Irans Fall macht strukturelle Mängel deutlich: Strafmaßnahmen, Abrüstungsheuchelei und geopolitische Voreingenommenheit. Wie Dr. Parsi betont:

„Iran ist nicht das Problem – es ist der Spiegel, der die Mängel des Systems zeigt.“

Um zu überleben, muss sich der NVV zu einem System entwickeln, das die Rechte nicht-nuklearer Staaten respektiert, Abrüstung durchsetzt und Diplomatie über Zwang stellt. Andernfalls droht eine fragmentierte Weltordnung, in der der NVV als hegemoniales Instrument angesehen wird – mit möglichen Austritten wie dem Irans und dem Zusammenbruch der globalen nuklearen Governance.

Quellen:

IAEO. (2025). Verification and Monitoring in Iran.

U.S. Office of the Director of National Intelligence. (2007). Iran: Nuclear Intentions and Capabilities.

Mousavian, S.H. (2024). The NPT’s Double Standards: A View from Tehran. Carnegie Endowment.

Parsi, T. (2023). Diplomacy in the Shadow of Sanctions. Quincy Institute.

Bajoghli, N. (2024). Iran’s Security Dilemma in a Nuclear-Armed Region. Johns Hopkins University Press.

Arms Control Association. (2025). Global Nuclear Stockpile Report.

Hinweis: Dieser Artikel wurde von der London Post in Zusammenarbeit mit INPS Japan und Soka Gakkai International, mit konsultativem Status beim UN-ECOSOC, erstellt.

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